Durch das Abrutschen in Hartz IV ist der Tiefpunkt unseres Lebensstandards erreicht!

(Frau W. ist 59 Jahre alt, pflegt seit 26 Jahren und lebt in Rheinland-Pfalz)

Meine Forderungen an Politik und Gesellschaft:                                                        Ich sehe auf politischer Ebene einen unabdingbaren und außerordentlich dringenden Handlungsbedarf in der Form, dass pflegende Angehörige auf Grund ihrer Tätigkeit in der Familie nicht in Hartz VI abgeschoben werden dürfen und fordere (ähnlich wie auch der Vdk) eine Grundsicherung für pflegende Angehörige außerhalb von Hartz IV.                                                                                                                                                            

Meine Tochter wurde im Juli 1992 innerhalb der 28. SSW geboren. Seitdem ist sie körperbehindert mit der Diagnose „Infantile Cerebralparese“: Sie benötigt für ihre Mobilität einen Elektrorollstuhl und braucht durch die motorischen Einschränkungen des Oberkörpers und der Arme Hilfen im gesamten Tagesablauf. Deshalb ist sie in die Pflegestufe III eingegliedert. Seit 2010 besucht sie – bis voraussichtlich 2015 – eine weiterführende Schule im Rhein-Maingebiet mit Internatsaufenthalt; laut SGB XI eine vollstationäre Einrichtung; faktisch nicht vollstationär, da das Internat zu gesamten Schulferien, an Feiertagen und Brückentagen geschlossen wird und die Krankheitsphasen (schätzungsweise 1 Woche pro Quartal) ebenfalls zu Hause also mit meiner Unterstützung auskuriert werden müssen.

Das bedeutet, ich habe viele Vollzeit-Pflegezeiten (mit Vollzeit meine ich VOLLZEIT) zu Hause zu leisten und kann deshalb nicht VOLLZEIT berufstätig sein. Würde ich diese Zeiten durch externe Pflegepersonen abdecken, kämen jährlich Kosten von etwa 6.000 bis 10.000 € auf mich zu. Und wovon leben wir dann? Von Alg. II.

Derzeitige Gesamtwohnkosten von ca. 780,00 € (für den LUXUS einer rollstuhlgerechten Wohnung) tragen dazu bei, das ein Entrinnen aus Hartz IV mit maximal einem Teilzeitjob extrem schwierig wird.

Hinzu kommt, welcher Arbeitgeber stellt schon eine Kraft mit einem solchen familiären Hintergrund ein?! Und, welcher Vermieter nimmt schonen einen Mieter aus dem „Hartz IV-Milieu“?! – Ich suche seit über 5 Jahren im gesamten Großraum Mainz-Bingen-Kreuznach eine neue (bezahlbare) rollstuhlgerechte Wohnung. Davon mal abgesehen herrscht sowieso ein eklatant skandalöser Mangel an behindertengerechtem Wohnraum.

Durch das Abrutschen in Hartz IV ist eigentlich der Tiefpunkt der finanziellen Situation, des Lebensstandards und des gesellschaftlichen Status’ erreicht. Weitere Schwierigkeiten bereitet vor allem die, manchmal unerträgliche, Bürokratie, mit welcher man als „Pflegehaushalt“ konfrontiert wird.

Als wäre die Situation an sich nicht schon schwierig genug. Möglicherweise sieht man es als Betroffener hin- und wieder zu emotional, aber ich habe es sehr oft so empfunden, dass man anstatt Hilfen eher Steine in den Weg gelegt bekommt: Anträge, Absagen, Widersprüche, neue Anträge usw. usw..

Auch unsere wirtschaftliche Absicherung für die Zukunft (sowohl meine eigene als auch die meiner Tochter) sehe ich als sehr problematisch an. Finanzielle Altersvorsorge aus Alg. II heraus, wie soll das gehen? An eine versicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung ist vorerst überhaupt nicht zu denken, angesichts der mittlerweile praktizierten Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt wird vielleicht auch gar nichts mehr damit – ich bin 1959 geboren!

Meine eigenen Lebensziele beschränken sich derzeit darauf, unsere Situation irgendwie zu verbessern; Eine neue (günstigere) Wohnung in der Nähe eines arbeitsplatzreichen Ballungsgebietes wäre schon ein großartiger Schritt. Familie und Freundeskreis existieren an unserem hiesigen Wohnort (in 2003 sind wir aus Aachen in die Rhein-Main Region umgezogen) nicht.

Mobilität, Flexibilität, Freizeitaktivitäten….                                                                          Was ist das? Mein letzter Urlaub hat vor 20 Jahren stattgefunden, freie Wochenenden habe ich auch erst seit meine Tochter das Internat besucht, allerdings selten, denn sie möchte möglichst immer nach Hause kommen.

Welche Verbesserungswünsche habe ich für die Zukunft?                                        Da gibt es schon einiges: Zunächst wünsche ich mir, dass sich die gesamtgesellschaftliche Einstellung zu dem großen Themenkomplex „Arbeit in der Familie“ ändert. Das fängt schon beim „Muttersein“ und der Erziehungsphase an und hört irgendwann bei einer „Rund-um-die-Uhr-Pflegetätigkeit“ für ein Familienmitglied (Kind, Partner, Elternteil) auf. Hochanspruchsvolle und arbeitsintensive Tätigkeiten, die in unserer Gesellschaft in keiner Weise als solche Anerkennung finden. Dabei haben viele pflegende Angehörige einen Leistungsumfang von bis zu 10 und mehr Stunden am Tag, zuzüglich der „Nachtschicht“.

Ich durchlebe ständig in eigener Erfahrung, wie sehr sich der Hartz IV-Status zu einem Makel, einem Brandmal entwickelt hat. Wenn man dazu gehört (aus welchen Gründen auch immer), ist man nicht mehr erwünscht, man erfährt Ablehnung auf allen persönlichen, verwaltungsmäßigen und politischen Ebenen.

Diesen ständigen Frustrationen ausgesetzt zu sein, bewirkt die Entstehung einer verzweifelten und depressiven Lebenseinstellung, die sich wiederum kontraproduktiv auf den heimischen Familienjob auswirkt.

Dabei fordert der § 3 SGB XI den Vorrang der häuslichen Pflege! Dann muss das Gesetz auch adäquate Voraussetzungen schaffen, denn eine irgendwann unumgängliche vollstationäre Unterbringung kostet die Kostenträger schließlich auch durchschnittlich 5.000,– € im Monat.

In diesem finanziellen Rahmen (ohne ihn komplett auszuschöpfen) könnte den Pflegefamilien ein angemessener Lebensstandard – inklusive des notwendigen, geeigneten Wohnraumes – durchaus ermöglicht werden!

( Bericht aus 2012 – aktualisiert in 2018 )

17 Gedanken zu “Durch das Abrutschen in Hartz IV ist der Tiefpunkt unseres Lebensstandards erreicht!

  1. Ich verstehe das nicht. Wenn jemand ins Pflegeheim muss, wirds richtig teuer. Und wenn jemand privat pflegt, ist das nichts wert? Ist doch oft ein Fulltimejob. Fassungsloser Gruß.

    • Lieber Herr V.,

      DAS sehen wir genau so und engagieren uns daher in der bundesweitern Interessenvertretung pflegender Angehöriger -wir pflegen e.V..
      Pflegende Angehörigen leisten durchschnittlich 63 Stunden Pflege / wöchentlich – wahrlich mehr als ein Fulltimejob – und DAS ohne Anspruch auf Urlaub, freie Wochenenden und Krankheitstage.

      Vielen Dank für Ihren Kommentar!

      Mit lieben Grüßen aus Münster

      Susanne Hallermann für Team ADP

  2. Hallo !
    Ja, als pflegende Angehörige hat man es schwer, wenn man an seine Grenzen kommt.
    Ich wußte ja, was auf mich zukommt,als ich vor 30Jahren geheiratet habe. Mein Mann ist Spastiker
    seit Geburt und kann nicht allein klarkommen, weil es ihm die Hände nicht erlauben.
    Die Feinmotorik ist sehr gestört…..Sprache auch und laufen geht auch immer schwerer.
    Wir können berichten, dass wir zu DDR – Zeiten bereits beide Invalidenrente bekommen
    haben und insofern abgesichert sind . Gott sei Dank! sagen wir dazu als Christen.
    Das Pflegegeld ist uns ebenso eine große Hilfe.
    Finanziell geht es uns soweit gut, dass wir über die Runden kommen.
    Aber natürlich haben wir auch so unsere Probleme. Jede Hilfe erfordert Antragstellung.
    Obwohl ich gern schreibe, bin auch ich mittlerweile in Schwierigkeiten, Anträge auszufüllen,
    was unter anderem dazu führt, dass ich keine oder nur sehr wenig Verhinderungspflege
    in Anspruch nehmen kann.
    Ich finde es auch selbstverständlich, dass ich die Wünsche meines Mannes für solcherart
    Vertretung berücksichtige und wenn ich dann mal länger als einige Tage alleine wegfahren will,
    will mein Mann nicht allein in der Wohnung bleiben. Zu Mutter kann er nicht, die hat selber Probleme aller Art und die Schwester muss arbeiten. Dann müssten wir neben meinen Reisekosten
    auch noch seine Hotelkosten bezahlen, denn die Pflegekasse bezahlt ja nur die Pflegekosten.
    Schaffen wir aber nicht. Und so bleibt es dabei: ich kann nur einmal im Jahr 3-4 Tage wegfahren.
    Najut, Gott ist da und hilft uns auch, aber es bleibt schwierig.
    Über die Zukunft mache ich mir wenig Gedanken,hab aber durchaus meine Träume.
    Mir fällt auf, dass von staatlicher Seite nur sehr wenig getan wird, um geistig behinderten,lernbehinderten,mehrfach behinderten Menschen über 60/65Jahren ein
    würdiges Altern zu ermöglichen. Einige dieser Menschen wohnen ja in Wohnheimen oder Wohngemeinschaften und da stelle ich fest, dass schon allein die Rechtslage unzureichend
    ist, weil diese Menschen aus der Eingliederungshilfe rausfallen und dann über „sauber-satt-sicher“ keinerlei Ansprüche haben für weitergehende Betreuung. Zudem können die Leute oft wenig
    raus an die frische Luft, sobald auch noch eine Gehbehinderung dazu kommt, weil
    die Betreuungskräfte /Fachkräfte zu wenige sind. 1Person kann nicht mit 6-8Leuten spazieren gehen,
    wenn davon 5 ohne Orientierung sind…..nur ein Beispiel.
    Seufz…..im Allgemeinen ist der Grundton in der Gesellschaft nach meiner Erfahrung so……dass
    außer Sonntagsreden nix passiert. Alle Betroffenen machen überwiegend die Erfahrung, dass sie im Wege sind und dass nach dem Motto verfahren wird, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
    Wir sind anstrengend, wir sind nervig, wir sind auch mal laut, weil wir die Stimme nicht gut steuern können….. Und so bleib uns nichts anderes übrig, als selber zuzusehen, wie
    wir (irgendwie) mit allem fertig werden. Klar, da sind wir dann wieder auf dem gleichen Level wie alle Menschen. Jeder geht seinen Weg und tut, was er für richtig hält.
    Danke fürs „Zuhören“ hier.
    Freundliche Grüsse Dorothea I.

    • Liebe Frau Isserstedt,

      ja – sehr gerne „zugehört, denn so wie Ihnen geht es Zigtausenden in Deutschland und wir freuen uns immer über Betroffene, die „laut werden“ !

      Betroffenen pflegenden Angehörigen eine Stimme geben, das ist uns wichtig und das Herz unserer Initiative und auch unseres Vereins wir pflegen e.V..

      Pflegende Angehörige sind die größten Pflegeleister der Nation, ihr wirtschaftlicher Wert liegt mit 29 Milliarden€ deutlich höher, als der Wert der beider sozialen (gesetzlichen & privaten) Pflegekassen (22 Milliarden €) zusammen; die überwiegende Mehrheit in Deutschland möchte – so lange es geht – zuhause bleiben und von Familie & Freunden versorgt, begleitet und gepflegt werden.
      Diesem Wunsch gehen viele Familien / Freunde nach und landen – durch die mangelnde Absicherung und der diskriminierenden Pflegegesetzgebung in der Armutsspirale – finanziell und sozial.

      Renten-„Absicherung“ pflegender Angehöriger ist minimalistisch und reduziert (!!) sich noch, wenn berufliche Pflegekräfte (=sog. Pflegesachleistungen) in Anspruch genommen werden !!!

      Unsere Betroffenen-Berichte (so wie Ihr Kommentar ? ) stehen für die reale Situation Zigtausender pflegender Anghöriger, überwiegend Frauen der sog. Sandwich-Generation. Auf unserer Homepage finden Sie alle Links mit den entsprechenden Studien, Fakten und Zahlen….. http://www.armutdurchpflege.de

      Wir freuen uns, dass immer mehr Betroffene (trotz ihrem Engagement und ihrem Eingebundensein) an die Öffentlichkeit gehen, aufmerksam machen und damit zu einer dringend notwendigen PFLEGE-WENDE in Deutschland beitragen – für ALLE Menschen, die pflegen !

      Mit lieben Grüßen aus Telgte

      Susanne Hallermann, Koordinatorin im Team ADP und auch pflegende Angehörige

    • Mein Name ist Esther Junghanns seit meiner Geburt vor 42 Jahren bin ich körperbehindert auf den Elektrorollstuhl und auf fremde Hilfe angewiesen seit meinem 16. Lebensjahr lebte ich in den unterschiedlichsten Internat Gruppen um weiterführende Schulen zu besuchen während dieser Zeit weiß am Wochenende zu Hause bei meinen Eltern das heißt meine Mama war es nicht möglich zu arbeiten und zum Familieneinkommen beizutragen wer noch haben wir als Familie gut gelebt da mein Papa nicht schlecht verdient ich würde mir wünschen das pflegende Angehörige von behinderten oder alten Menschen ein angemessenes Gehalt bekommen pflegende Angehörige haben ķ ein selbstbestimmtes Leben Leben seid seit 1998 Möbel Schmidt Assistent in der eigenen Wohnung seit Mai 2016 wenn ich verheiratet herzliche Grüße Esther Junghans

      • Liebe Frau Junghanns,

        vielen Dank für Ihren Kommentar auf unserer Webseite, der für so viele Betroffene „spricht“!
        Toll, dass Sie es aus Ihrer Perspektive geschrieben haben…. – umso berührender.

        Ja, denn Eltern, die ihre Kinder pflegen, tun dies ihr Leben lang – mit allen Sorgen und Befürchtungen, aber eben auch mit allen Einbussen und sozialen Abstiegsfolgen.

        Dies ist eine Schande für Deutschland, einem Land, dass Familie „hoch hält“ und dies ist umso mehr nötig, wenn es mal „nicht so gut läuft“, Hilfe, Unterstützung und soziale Absicherung für die immensen Pflegeleistungen und – Verantwortungen pflegender Eltern, Partner, Kinder etc. geht.

        Wir danken Ihnen für Ihre Offenheit und Unterstützung und freuen uns, wenn Sie sich auch in unserem Verein wir pflegen e.V. oder in unserer Initiative ADP engagieren mögen.

        Mit lieben Grüßen aus Telgte (bei Münster, NRW)

        Susanne Hallermann, Koordinatorin im Team ADP und auch pflegende Angehörige

    • Lieber Herr Zeltsch,
      DANKE für Ihr Statement – sehen wir genau so 😉 .

      Und nach wie vor ist „kein Hartz IV für pflegende Angehörige“ eine der Hauptforderung der Betroffenen.
      Wir setzen uns weiterhin für die soziale Gleichberechtigung und Absicherung pflegender Angehöriger ein.

      Ihnen und Ihren Lieben auf diesem Weg schon mal schöne Weihnachten !

      Mit lieben Grüßen aus Telgte (bei Münster) !

      Susanne Hallermann für Team ADP

  3. „Möglicherweise sieht man es als Betroffener hin- und wieder zu emotional, aber ich habe es sehr oft so empfunden, dass man anstatt Hilfen eher Steine in den Weg gelegt bekommt:“

    Nee, nee, nee – natürlich sieht man es emotional, Gott sei Dank und mit allem Recht. Ich habe es genauso erfahren. Es sieht mir so aus, als wenn die Gesellschaft nicht aufgestellt wäre für diese Dinge; völlig überrascht von dem Faktum der Sterblichkeit, dass es hilfebedürftige Menschen gibt, es scheint nicht mehr zu passen, dass man wird um zu vergehen. –

    Es geht den Menschen in den Ämtern etc am Popöchen vorbei und es nervt sie geradezu, dass man betroffen ist, dass man nervenschwach ist – es wird dieses gerne als Unhöflichkeit gewertet.
    Ich habe es genau so erfahren, dass ich jedweder Information hinterher rennen musste – ich habe gestört – es ist der Gang der Dinge; aber welcher Gang und welche Dinge hat man mir nie erklären wollen.

    Ich habe sehr viel Unsicherheit und Ängste auf der Seite derjenigen verspürt, die an und für sich aufgestellt und bezahlt sind dafür, dass sie Hilfe leisten.

    Ich musste als hilfebedürftiger Menschen helfen mir helfen zu können und zu wollen.

    Ich konnte nicht ahnen, dass das die Spielregeln sind.

    Meine Mutter ist nun nahezu zwei Jahre verstorben. Ich erhole mich langsam, aber nur in dem Rhythmus, den die Ämter mir zugestehen.

    Die Zeit ist reif für einen Paradigmenwechsel.

    • Liebe Frau Lonn,

      DANKE für Ihren Kommentar und ihre klare Stellungnahmen – genau so ist es nämlich !!!

      So oder so ähnlich geht es Zigtausenden von Betroffenen und die Situation endet ja nicht NACH einer Pflegesituation.

      Es geht wirklich um den von Ihnen beschriebenen Paradigmen-Wechsel – wir fordern eine wirkliche PFLEGE-WENDE in Deutschland, da das bisherige Pflegesystem versagt hat, alle Reformen nicht mehr wirklich ankommen können bei den Menschen, die pflegen (beruflich oder familiär) und bei den Betroffenen!!

      „Pflegst Du schon oder lebst Du noch???“ ist ja ein Schlagwort, dass es widerspiegelt, wie es zur Zeit in Deutschland bestellt ist…

      Ihre Geschichte kenne ich ja (Sie sind ja auch ein kleiner Medienstar) und es ist ein toller Beitrag von Ihnen entstanden, berührend & authentisch….
      – wir werden ihn am kommenden Sonntag (3. Advent) gerne wieder veröffentlichen. Sonntags ist immer der Tag der Betroffenen-Berichte auf Facebook und diesmal „sind Sie dran…“.

      Hoffe, es geht Ihnen mittlerweile etwas besser und ich wünsche Ihnen eine schöne Adventszeit, gemütliche Weihnachten und ein gutes, gesundes und glückliches Neues Jahr!

      Mit lieben und solidarischen Grüßen aus Telgte!!

      Susanne Hallermann für Team ADP

  4. Über die psychologische Online-Beratung für pflegende Angehörige http://www.leben-und-pflegen.de bin ich auf diese Website gestoßen. Ihr hier geschildertes Schicksal berührt mich wirklich sehr. Sie verdienen höchsten Respekt und Hochachtung!

    Meine Hartz IV-Karriere begann mit meinem schweren Burnout und der zeitgleichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation meiner Mutter. Meine damalige Krankschreibung erschien mir als Glücksfall, da ich mich intensiv um sie kümmern konnte. Damals konnte ich nicht ahnen, dass sich meine Mutter jährlich einer komplizierten und riskanten OP unterziehen würde. Bei der ersten OP mobilisierte ich all meine Kräfte, ich betrachtete die Situation als einmalig. Bei der zweiten OP gelang es mir erstaunlicherweise erneut, mit großer Kraft für meine Mutter da zu sein. Mittlerweile finde ich mich jedoch in einem kräftezehrenden Kreislauf verstrickt, aus dem ich mich kaum zu befreien weiß. Bedauerlicherweise sieht der Mann meiner Mutter (nicht mein Vater!) überhaupt keine Veranlassung uns zu unterstützen. Er gehört noch zu der Generation, die es als selbstverständlich erachtet, dass soziale Aufgaben in der Familie nur von Frauen ausgeführt werden.

    Nach der Aussteuerung aus der Krankenkasse erlebte ich den klassischen sozialen Abstieg zur Agentur für Arbeit und schlussendlich zum Jobcenter – also Hartz IV. Trotz intensiver Bewerbungen gelang es mir nicht, wieder in ein geregeltes Berufsleben zurück zu kehren, obwohl ich absolut überzeugt war, das dies einer meiner leichtesten Übungen sein sollte. Schließlich hatte ich jahrzehntelang in verantwortungsvollen Positionen gearbeitet. Mittlerweile bin ich jedoch über 50, ein Faktor der bei Bewerbungen keinen Pluspunkt einbringt. Einen Erfolg darf ich dennoch verbuchen – einen Nebenjob bei einer sehr verständnisvollen Chefin, die meine soziale Situation nicht für sich ausnutzt und mir Wertschätzung und Sympathie entgegen bringt. Durch flexible Arbeitszeiten bekomme ich meine alltäglichen Herausforderungen bisher noch unter einen Hut, wären da nicht meine extreme Erschöpfung und die anhaltenden Schlafstörungen – verbunden mit einer Angst nie wieder in ein halbwegs „normales“ Leben zurück zu finden.

    Die von Ihnen angesprochene Stigmatisierung erlebe ich vor allen Dingen in der eigenen Familie, schließlich arbeite ich nicht und liege dem Staat auf der Tasche. Man ist peinlich berührt, und wechselt schnell das Thema. Würde ich mich jedoch nicht mehr um meine Mutter kümmern, dann wäre die Empörung groß. Ich vermute, die Angst selbst von einem Schicksalsschlag getroffen zu werden ist einfach zu groß, um sich darüber ungezwungen austauschen oder einfach nur zuhören zu können. Solange man selbst nicht betroffen ist, werden unangenehme Themen einfach ausgeblendet und tot geschwiegen. Daher empfinde ich es als große Bereicherung diese Website entdeckt zu haben.

    Haben Sie Dank, dass Sie mich an Ihrer persönlichen Situation und den damit gemachten Erfahrungen teilhaben lassen.

    Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie von ganzem Herzen weiterhin viel Kraft. Seien Sie gewiss, dass Sie Großartiges leisten. Ich glaube fest daran, dass wir unsere Eltern aussuchen. Und ich bin mir ganz sicher, dass Ihre Tochter keine liebevollere und stärkere Mutter hätte finden können.

    Es grüßt Sie sehr herzlich

    B. Plaetz

  5. mein name ist sylvia Pöttrich,ich bin 50 jahre alt und Pflege meinen Sohn David seid 32 Jahren…schwere geistige behinderun und Autismus,ausserdem diabetesTyp 1 nach Toxoplasmose in der schwangerschaft…ich habe noch 4 weitere gesunde Söhne…mich berühren diese Themen sehr,weil es uns genauso geht…David wirdvon 7 bis 14 uhr in im FFB betreut….an eine Arbeit ist nicht zu denken:(

    • Liebe Frau Pöttrich,
      vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihre Offenheit!
      Eben, weil es so vielen pflegenden Angehörigen so geht- und Eltern schwer behinderter Kinder sind auch pflegende Angehörige, werden nur oftmals von der Öffentlichkeit & Medien nicht so gesehen – geben wir den Betroffenen eine Stimme (und auch bei Berichten) ein Gesicht!
      Damit die reale Situation Tausender an die Öffentlichkeit und vor allem an die Politik kommt, denn der Großteil der betroffenen Familien ist aufgrund der eigenen Pflegeleistung und -verantwortung nicht in Lage noch mehr als im normalen „Alltagswahnsinn“ für sich zu kämpfen.
      Gerne setzen wir uns mit Ihnen in Verbindung und freuen uns auf einen Kontakt mit Ihnen!

      Schöne Ostertage für Sie und Ihre Lieben und viel Kraft & gutes Gelingen für all Ihre Vorhaben!
      Mit lieben Grüßen!
      Susanne Hallermann, Koordinatorin der Initiative ADP, selbst pflegende Angehörige 😉

  6. Da ich mich in einer ähnlichen Situation befinde,kann ich diese Worte hier nur voll und ganz bestätigen, und mich dahinterstellen. Bravo,das es endlich mal jemand genauso wie es ist auf den Punkt bringt !!!!!

    • Ich gebe Ihnen Recht, wenn sie sagen, dass Mutter, Hausfrau oder pflegender Angehöriger keinen Stellenwert in der Berufswelt hat. Das muß dringend geändert werden. Man kann diese Leistungen nicht einfach ausgliedern und so tun, als wäre das privates Hobby und eigentlich nicht notwendig. Seit es die Emanzipation in der Berufswelt gibt, haben wir Frauen, die trotzdem mit ihrer Leistung zu Hause vollends ausgelastet sind, Schwierigkeiten mit der finanziellen Absicherung. Früher mußten die Ehemänner dafür sorgen, was dazu geführt hat, dass Frauen finanziell unmündig waren oder unterschiedliche Lebensstandarts hatten. Die Politik hat vergessen, dass jetzt sie für eine gerechte Entlohnung unserer Leistungen aufkommen muß. Es ist nun mal so, dass Frauen diese ganzen sozialen Arbeiten in der Vergangenheit übernommen haben und jetzt wird versucht das Ganze mit Heimen oder Berufsfachkräften abzudecken. Das ist nicht nötig in so einem Umfang. Sie sollen einfach die pflegenden Angehörigen , wie einen Berufstätigen finanziell versorgen und Mütter, die ihre Kinder selbst erziehen wollen und alleinerziehend sind auch bezahlen !
      Liebe Grüße
      Silvia Wölki

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