„Meine Oma war meine Seelengefährtin – Ich bin teilweise bei ihr aufgewachsen.“

(Ruth Gerstner ist 42 J., pflegte 13 Jahre und lebt in Bayern)

Ruth Gerstner mit Oma

Omas Lachen.

„Sie war so witzig-ich habe so gern mit ihr gelacht „, erinnert sich Ruth.  

Die Erinnerungen sind es, die sie auch durch schwere Zeiten trugen.

Deshalb fasst Ruth Gerstner (42) aus Augsburg einen folgenschweren Entschluss: 2001 übernimmt sie die Pflege ihrer Großmutter Katharina, einer ehemaligen Sekretärin im bayerischen Familienministerium, die mit 77 Jahren an Demenz erkrankt ist.

Die Pflege leistet Ruth anfangs in Teilzeit, seit 2012 in Vollzeit. Ihren eigenen Beruf als Rettungsassistentin und Heilpraktikerin gibt sie auf, auch ihre schöne Wohnung am Ammersee. Die Naturfreundin zieht in eine Stadtwohnung bei Augsburg – mit Oma.

Ruth: „Bis zu ihrem Tod am 3. Oktober 2014 war ich voll für sie da.                    Eine Herzensentscheidung.“

Damit ist Ruth nicht alleine. In 71 Prozent aller Fälle pflegen Frauen!              Im Dezember 2011 waren in Deutschland 2,5 Millionen Menschen pflegebedürftig.

Mehr als zwei Drittel werden zuhause von Angehörigen versorgt. Und die Pflegenden sind zu 71 Prozent weiblich. Wenn es sich um Vollzeitpflege handelt, verzichten sie auf den Beruf, auf Selbstverwirklichung – und auf eine gute Rente.

Für ein Jahr häusliche Pflege in Pflegestufe 1 erwerben die Frauen einen Rentenanspruch von 7,42 Euro. Für ein Jahr Kindererziehung gibt es 27,47 Euro, ein Durchschnittsverdiener erwirbt 32 Euro.

Ruth Gerstner sagt: „Es war nicht einfach, den Beruf und mein eigenes Geld aufzugeben.  Als ich mit Oma in die Wohnung zog, war klar, dass ich von ihrer Rente und von Zuschüssen meiner Mutter leben muss.“

710 Euro monatlich kostet allein die Warmmiete der Drei-Zimmer-Wohnung. „Oma hatte 1100 Euro Rente, ich bekam in Pflegestufe III 700 Euro Pflegegeld. Davon musste ich auch noch eine nette Nachbarin bezahlen, um wenigstens mal für ein paar Stunden aus dem Haus zu kommen. Da es mit der Zeit immer schwieriger wurde, brauchte ich diese kleinen Fluchten.

Anspruch auf Arbeitslosengeld erwirbt sie durch die ihre mutige Entscheidung zur Pflege nicht. Im August 2014 sind Ruths Mittel zum Lebensunterhalt schließlich nahezu aufgebraucht.

Kurz nach ihrer Großmutter stirbt im November 2014 auch Ruths Mutter Irmgard mit 69. Die ehemalige Sekretärin und Hausfrau hatte freiwillig in einem Heim gelebt, wollte ihre Tochter nicht auch noch belasten. Nun steht Ruth vor dem Nichts.

Zwar hat sie eine kleine Erbschaft zu erwarten, aber sie verfügt über keinerlei Einnahmen. Sie bittet ihre Vermieter, die Miete zu erlassen, bis sie das Erbe, eine Wohnung, antreten kann. Vor Weihnachten kommt der Brief, dass sich die Vermieter nicht darauf einlassen.

Jetzt muss Ruth sich schnell einen Job suchen.

Nach so vielen Jahren wird das nicht leicht werden. Aber welche Schwierigkeiten sie jetzt und auch im Alter erwarten.

Ruth hat ihre Entscheidung nie bereut: „Ich würde es immer wieder machen.“

Dieser Bericht erschien im Februar 2015 in de Zeitschrift LAURA & entstand in Zusammenarbeit mit der Initiative ADP (Initiative gegen Armut durch Pflege).

Wir bedanken uns bei LAURA-Redakteurin Ulrike Wilhelm und natürlich        besonders bei Ruth Gerstner !

(Bericht aus April 2015 – Daten aktualisiert im April 2016)

6 Gedanken zu “„Meine Oma war meine Seelengefährtin – Ich bin teilweise bei ihr aufgewachsen.“

  1. Super!
    Traurig aber gleichzeitig super! Ich bin nicht alleine als pflegende Enkelin. Ich finde den Bericht ganz toll. Mutig und voller Liebe hat Ruth diese Aufgabe übernommen!
    Nach bisher 12 Jahren Pflege meiner Omi in einer 2-Zi-Wohnung bin ich ko, aber bereue den Entschluss nicht. Denn wäre sie in ein Heim gesteckt worden, wäre sie garantiert nicht mehr am Leben (jetzt 97!).
    Ganz lieben Gruß von pflegender Enkelin an ehemals pflegende Enkelin!

    • Danke liebe Andrea Siedler, Ihren Kommentar leiten wir gerne (doppelte Sicherheit ? ) per Mail an Ruth G. weiter – sie wird sich freuen….

      Mit lieben Grüßen aus Telgte!

      Susanne Hallermann, auch ehemalige pflegende Enkelin, die für diese 20 Jahre unendlich dankbar ist und es jederzeit wieder machen würde!

    • Lieber Herr Geyer,
      wir leiten Ihren Kommentar an Ruth G. weiter und hoffen, dass Sie „zusammenfinden“ !

      Mit lieben Grüßen aus Telgte!

      Susanne Hallermann, Koordinatorin im Team ADP

  2. Bist du die ruth gerstner die vor Jahren ander Walner Schule war mein Name markus geyer meld dich kurz vielleicht kann ich helfen

    • Lieber Herr Geyer,
      wir leiten Ihren Kommentar an Ruth G. weiter und hoffen, dass Sie „zusammenfinden“ !

      Mit lieben Grüßen aus Telgte!

      Susanne Hallermann, Koordinatorin im Team ADP

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